Die meisten Austern kommen aus Frankreich. Allerdings hat mittlerweile auch eine Austernzucht aus Deutschland wieder eine Marktnische erobert. Sie liegt ganz oben im Norden: vor der Küste der Nordseeinsel Sylt.
Der Aufstieg der Sylter Austernfischerei begann u a auch mit steigender Nachfrage durch Hamburger und Bremer Kaufleute, die sich die Austern in kleinen, mit Seewasser gefüllten Holzfässern kommen ließen – und selbst der dänische König wurde beliefert. Für die Sylter war dies ein einträgliches Geschäft, das immer professineller betrieben wurde.
Ab dem 13. Jahrhundert wurde der Austernfang mit Segelbooten durchgeführt, die sogennante Streicheisen auf dem Meeresboden hinter sich herzogen. Diese “Striekisen” waren zunächst Netze von Riemen, die aus Seehundsfell geflochten waren. Später bestand dieses Netzwerk dann aus Eisenringen – pro Fang konnte man nach dem Einholen der Netze etwa 150 Austern zählen.
Austernfang auf Sylt: einst Lebensunterhalt für viele
Das Wissen um die Austern, die Vorkommen und die Fangmethoden verbreiteten sich schnell: In Keitum, Hörnum und List wurde die Austernfischerei zu einer wichtigen Einnahmequelle. Allerdings gab es über lange Zeit keinerlei Fangbeschränkungen, so dass sich schließlich im Jahre 1587 König Friedrich II, Herzog von Holstein-Gottorp gezwungen sah, einen offenen Brief an seine Untertanen zu richten.
Mit diesem Erlass, der auf den 4. Februar 1587 datiert ist, wurde die Austernfischerei zum ersten Mal reglementiert und die Fanggebiete verpachtet, zumeist für eine Dauer von 20 Jahren.
Um 1840 wurden für 1’000 Austern, also etwa eine Tonne, ganze 2 Reichstaler bezahlt. Die Austernfischer verdienten 20 Schilling (etwa 0,75 Euro) pro Tonne, die Schiffer nur wenig mehr. Die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse ließen den damaligen Küstenbewohnern jedoch keine Wahl.
In den Jahren 1859 – 1873 wurden jährlich 4-5 Millionen Austern gefischt und tonnenweise verkauft. Der Erlös war allerdings eher bescheiden: Um 1870 zählte man zwischen Röm, Sylt, Amrum und Föhr ganze 47 Austernbänke, von denen mehrere über vier Kilometer lang waren – die Gesamtfläche betrug 1’800 ha.
Das Ende der Austernfischerei – und der Anfang der Sylter Austernzucht
Im Jahr 1882 waren die Austernbestände schließlich derart überfischt, dass der Austernfang eingestellt werden musste. Das ständige Graben mit dem Streicheisen über den Wattenboden hatte zudem auch den Neuansatz von Jungtieren immer wieder gestört. Eine längere Schonzeit sollte die Austernbänke schützen und die Erholung der Population ermöglichen.
Mit Unterstützung der Biologischen Anstalt Helgoland wurden erstmalig systematische Zuchtversuche unternommen – die Austernfischerei wurde also zum ersten Mal nicht mehr als Beutefang angesehen: Aussaat und nachhaltige Pflege, die Beachtung von Schonzeiten und das Einrichten von Kulturbänken standen plötzlich im Mittelpunkt.
Die Bestände erholten sich allerdings nicht mehr wie erwartet, so dass im Jahre 1910 in List ein staatlicher Betrieb mit dem Ziel geschaffen wurde, Brutaustern künstlich anzusiedeln. Hierfür legte man drei große Bassins an, die mit der offenen See verbunden waren. Mit Unterstützung der Biologischen Anstalt Helgoland wurden erstmalig systematische Zuchtversuche unternommen – die Austernfischerei wurde also zum ersten Mal nicht mehr als Beutefang angesehen: Aussaat und nachhaltige Pflege, die Beachtung von Schonzeiten und das Einrichten von Kulturbänken standen plötzlich im Mittelpunkt.
Künstliche Bänke und rauhe Natur: Aufstieg und Niedergang der Sylter Austernzucht
Im Jahre 1912 wurden in einem Großversuch der “Königlich Preußischen Austernfischerei” vor Sylt die ersten 50’000 Austern aus Holland und später auch aus Frankreich zur Austernzucht ausgesetzt. 1925 wurden auf der Ellbogenbank 1 Million Saataustern ausgesetzt. 1926 nochmals 3 Millionen und 1927 weitere 2,5 Millionen. Bis eine Auster versandreif ist, vergehen 3 bis 6 Jahre. Außerdem vernichteten kalte Winter einen Großteil der Bestände. Allen Schwierigkeiten zum Trotz ging es nach einer besorgniserregenden Flaute in den 30er-Jahren mit der Austernfischerei wieder aufwärts. Dann kam der Krieg. und im Dezember 1937 auch noch ein Kältewinter mit -27 Grad. Dies und natürlich, dass alles Personal eingezogen wurde und es keine Hilfe mehr gab, führte zum Ende. Nach dem Krieg waren diese Becken undicht geworden (Grundwasser drang ein) und schließlich wurde das Gelände für die Austernzucht aufgegeben und verpachtet.
Wiederbelebung durch die Dittmeyer’s Austern Compagnie
Zwischen den Jahren 1964 und 1972 hatte die Biologische Anstalt Helgoland wiederholt Versuche unternommen, Austernsetzlinge in Edelstahl-Containern auszusetzen. Im harten Winter von 1976 wurden jedoch 90 Prozent der ausgesetzten Austern durch Eisgang zerstört. Trotzdem war das Interesse an einer eigenen deutschen Austernzucht nach wie vor ungebrochen: Es verging nicht sehr viel Zeit bis die Bundesforschungsanstalt für Fischerei mit Unterstützung von Muschelfischern der Inseln Sylt, Föhr und Amrum eine neue Austernart, die pazifische Felsenauster, in Kleinversuchen aussetzte und dabei gute Erfolge in Geschmack und Fleischanteil erzielen konnte.
Diese ermutigenden Ergebnisse waren es, die dann schließlich die Dittmeyer´s Austern-Compagnie im Jahre 1986 den Versuch wagen ließ, die einzigartige Sylter Austerntradition wieder zu beleben und auch kommerziell zu betreiben: Es entstand ein moderner Aquakulturbetrieb mit Aufzuchtgebiet in der Blidselbucht (Tischkulturen), 500 Kubikmeter Seewasserbecken, einer direkten Seewasserleitung und leistungsfähigen Luftumwälzpumpen (wichtig für die Unterbringung im Winter). Alles Dinge, ohne die eine auch wirtschaftlich tragfähige Aufzucht undenkbar wäre.
Auf einer Fläche von rund 30 Hektar befindet sich die einzige deutsche Austernzucht. Über eine Million dieser Krustentiere ernten die Austernfischer von Dittmeyer’s Austern-Compagnie jährlich im Wattenmeer vor Sylt für Restaurants und Delikatessen-Grossisten.
Die Austern der Compagnie waren von Anfang an ein großer Erfolg und tragen den stolzen Namen: Sylter Royal. Der Verkauf findet im gesamten Bundesgebiet, in Dänemark, Österreich und in der Schweiz statt.
Die Wasserqualität ist entscheidend
Die Wahl zur Zucht dieser Meeres-Delikatessen in Deutschland fiel vor über 25 Jahren nicht ohne Grund auf Sylt. Die Europäische Union teilt die Gewässer in Güteklassen ein. Kategorie A bis C, wobei A die beste Güte ist. Und die kommt derzeit nur an drei Plätzen in Europa vor: ein Küstenzipfel vor Schottland, ein Teil der Irischen See und eben das nordfriesische Wattenmeer vor Sylt.
Die Auster ist immer nur so gut wie das Gewässer, in dem sie lebt. Vor Sylt herrscht eine hervorragende Wasserqualität. Die Muschel filtert bis zu 20 Liter Wasser in der Stunde. Und daraus sammelt sie kleine Mikroorganismen, Plankton und verwandelt dieses in für uns wichtige Mineralien und Vitamine.
Auf bis zu 90 Gramm bring es die reife Royal, die reichlich Mineralien wie Eisen, Jod, Kalzium und Magnesium enthält.
Pro Jahr setzen die Mitarbeitenden bis zu 80 Tonnen Jungaustern zum Wachstum vor Sylt aus. Danach verbringen sie bis zu ihrer Marktreife drei bis vier Jahre auf den verschiedenen Bänken vor der Sylter Küste. Die Poches, in denen sich die Austern befinden, sind mit farbigen Sticks verschlossen. Dies ist die interne Kennzeichnung, um den Jahrgang zu kennzeichnen.
Im Winter werden die Austern übrigens in Tanks auf die Insel verfrachtet, damit sie bei strengem Frost nicht von Eisschollen im Wattenmeer erdrückt werden. Eigens für diese Umsiedlung hat man zwei Pipelines zu 15 Tanks gebaut, in denen jeweils ungefähr 30’000 der Muscheln mit frischem Nordseewasser versorgt werden.
In diesen meterlangen Becken machen die Austern übrigens ohnehin vor ihrer letzten Reise Zwischenstation, ehe sie auf den Tellern der Genießerin landen.
“Wir können sie nicht am selben Tag ernten und verkaufen, weil sie, wenn sie aus dem Wattenmeer kommen, erst einmal in unserer Waschmaschine unter Hochdruck von Schwebeteilchen und Kleinstlebewesen befreit werden müssen. Und dann packen wir sie gerne noch über Nacht in eines der Becken, damit sie noch einmal ausfiltern können”, erklärt Bine Pöhler.
Die Qualität kann man hören
Die Pflege der Sylter Royal ist aufwändig. Dazu gehören, dass sie auf den Austernbänken regelmäßig gewendet und von Algenbewuchs befreit werden. Das hat natürlich seinen Preis. Vor Ort zahlt der Abnehmer pro Stück im Schnitt 1,30 Euro.
Vor der Auslieferung erfolgt obligatorisch eine Qualitätsprüfung. Dafür gibt es allerdings kein Röntgen- oder Ultraschallgerät. Da hilft nur das geschulte Gehör eines Experten beim Klopftest, der auch tatsächlich von der EU als Qualitätstest sozusagen vorgeschrieben wird. Dazu werden zwei Muscheln genommen und gegeneinander geklopft. Klingt es dann wie ein Stein, sind sie intakt.