Früher war der Schneemann böse

Wintergeist und Kinderfreund: Er hat ein langes Leben hinter sich, obwohl er meist nur wenige Tage existiert.

Kulturgeschichte einer Kultfigur. 

 

Erstmals schriftlich nachgewiesen wurde der Schneemann um 1511.

Sobald der Schnee reichlich fällt, tauchen sie auf: Schneemänner. Dass es selten Schneefrauen sind, hat nicht nur damit zu tun, dass diese komplizierter zu formen sind, sondern auch mit der Geschichte dieser Figur: Sie gilt als der personifizierte Winter, der früher streng und bedrohlich war.

 

Literarisch ein 1. Mal erscheint er in William Shakespeares auf 1597 datiertem Drama «Richard II.», wo sich der Titelheld wünscht: «O!, dass ich ein zum Scherz aus Schnee zusammengeballter König wäre, und hier, vor Bolingbrokes Sonne stehend, in Wassertropfen wegschmelzen möge.» Der Hintergrund dieses suizidalen Wunsches: Sein Rivale Henry IV. Bolingbroke hatte ihn in den Tower geworfen, wo er später ermordet wurde oder verhungerte.

 

Populär wurde der Schneemann aber erst im 18. Jahrhundert, wie wir einem Wikipedia-Eintrag entnehmen. Aus dieser Zeit gibt es diverse bildliche Darstellungen, in denen der Schneemann meist grimmig dreinschaut.

 

Der Winter wird romantisch

Wurzel- oder Karottennase und Besen sind seither festes Requisit eines Schneemanns. So änderte sich sein Charakter. Genauso wie sich im Lauf der Zeit die Einstellung der Menschen zum Winter änderte. Der Winter wurde – vorausgesetzt, man besass gute Schuhe und einen warmen Mantel – zur romantischen Jahreszeit. Auf den Winterdarstellungen sausen nun fröhliche Kinder mit Schlitten den Hang hinunter, gleiten verliebte Paare mit Schlittschuhen übers Eis. Und alle bauen Schneemänner. Freundliche Schneemänner, die gemütlich dreinschauend und kugelrund bestens in die Zeit des Biedermeier (1815 bis 1848) passen. 

 

Der Postkartenboom Ende des 19. Jahrhunderts poliert das Image des Schneemanns zusätzlich auf. Kaum eine Neujahrskarte, die er nicht ziert.

 

Der Schneemann war also auf dem Höhepunkt seiner Popularität, als er in Zürich zum Wahrzeichen des traditionellen Frühlingsfests wird. Und wen wundert es, dass die ungeduldigen Zürcherinnen und Zürcher nicht warten konnten, bis der Winter von allein in der Sonne wegschmilzt. Sie halfen mit Feuer nach. 1902 wurde am Sechseläuten erstmals eine Schneemann-Figur verbrannt, den man Böögg nannte.

 

Der Schneemann liess sich auch vom Fitnessboom nicht anstecken

Seit über hundert Jahren bauen Kinder und jung gebliebene Erwachsene reflexmässig Schneemänner, wenn der Winter einbricht. 

Dabei geht der Schneemann wenig mit der Mode und er liess sich auch vom Fitnessboom nicht anstecken. Er bleibt kugelrund, Karotte als Nase, Ast als Besen. Nur manchmal trägt er als zeitgemässes Accessoire eine Gesichtsmaske.

 

Dass er trotz seines schlichten Auftretens noch populär ist, zeigt der Umstand, dass es seit 2010 einen Welttag des Schneemanns gibt. Er wird jeweils am 18. Januar gefeiert.

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