Slowenien: Adrenalin und Einsamkeit
Die Soca sprudelt eiskalt aus einer dunklen Felsspalte im Trenta-Tal in den Julischen Alpen. Besucher können zur Quelle wandern, bergauf das klare Flüsschen entlang. Auch bergab lohnt es sich, der Soca zu folgen. Sie schwillt an und nimmt in den Schluchten spektakuläre Farben an – Petrol, Aquamarin oder Smaragdgrün. Wer die Soca im Triglav-Nationalpark intensiver geniessen will, sollte sich aufs Wasser wagen, zum Beispiel bei einem Wildwasser-Kurs. In der Nähe von Bovec in Cezsoca rüstet Guide Alexi die kleine Gruppe mit Neopren-Outfits aus, bevor es in die instabilen Kajaks geht. Alle lernen, gegen die Strömung zu paddeln, den Fluss zu kreuzen, Bögen zu fahren, in Stromschnellen über Steine zu rumpeln und – ganz wichtig – beim Kentern unter Wasser auszusteigen. Adrenalin pur.
Bremerhaven: Alpenleben an der Waterkant
Die fiktive Reise stoppt in Isenthal UR bei den Sennen Hedi und Werner, die angeblich die Kühe noch von Hand melken. Eine Tafel weist dezent auf die Gletscherschmelze hin; an einem Automaten kann man mit Jodlern in einen Juchzwettbewerb treten. Isenthal liegt 735 Kilometer Luftlinie von Bremerhaven entfernt und wie die norddeutsche Hafenstadt auf dem achten Längengrad Ost. Er wird zur fadengeraden Reiseroute um die Welt, von der Innerschweiz via Sardinien, Niger, Kamerun, die Antarktis, Samoa und Alaska zurück an die Weser. Das Klimahaus ist eines der ungewöhnlichen Museen, mit denen sich Bremerhaven einen Platz auf der touristischen Landkarte gesichert hat. Es zeigt die Klimazonen, die Lebensumstände der Menschen – und sogar Tiere in Fleisch und Blut wie Äskulapnattern oder Lemminge. Die Besucher bleiben von der Moralkeule verschont, der Klimawandel wird nur gestreift. Und wer nicht gerade in eine Schulklasse gerät, kann sich die 143 Ausstellungsräume gelassen ansehen. Der Schweizer schmunzelt: Die Alp von Hedi und Werner mutiert an der Waterkant zur Alm.
Aland: Eine Insel für zwei
Dichtestress? Garantiert nicht hier! Die ganze Insel gehört Ihnen allein! 41 Stunden lang sind Sie die einzigen Bewohner auf Sviskär. Die Holzhütte, das Plumpsklo und die Sauna, nichts wird geteilt. Die Insel liegt in der frischen Ostsee, zwischen Schweden und Finnland. Sviskär – «Swiss care», wie der Schweizer sagt –, eines von 6700 Inselchen im Archipel Aland, gehört zu Finnland, gesprochen wird Schwedisch. Aber Sie werden mit niemandem reden müssen. Kein Strom, kein fliessend Wasser und kein Internet – hier zählt man Sterne und Möwen statt Sekunden und Minuten. Ideal für Möchtegern-Einsiedler – mit gewissen Ansprüchen. Die Hütte ist liebevoll eingerichtet. Fischerruten, Kugelgrill, Säge, Erste-Hilfe-Kasten – und zwei Paar Crocs stehen bereit. Die eigene Insel, der einzige Ort, wo man diese hässlichen Plastikdinger tragen darf. Etwa 28 Fussballfelder gross ist das bewaldete Reich, ohne Pfade, nur Dickicht. Sie finden weder Beeren noch Pilze, und am Angelhaken hängt bloss Seegras. Man würde wohl glatt verhungern… ohne den «Gourmet-Basket» mit allerlei Delikatessen aus der Region. Und so landet ein feines Lachsfilet auf dem Kugelgrill.
Imst: Im toten Winkel
Seitdem Umfahrungsstrassen Ortszentren entlasten, drängen sich interessante Zwischenhalte an unbekannten Orten auf. Es lohnt sich, das Navigationsgerät zu ignorieren und einen Abstecher zu wagen – etwa nach Imst. Das Städtchen liegt gewissermassen im toten Winkel für jene Autofahrer, die von der A12 zu den populären Tiroler Ferienorten abzweigen. Am Rand der Lechtaler Alpen gibt es viel zu entdecken: Eine enge Strasse erschliesst Unter- und Oberstadt. Das ganze Stadtleben breitet sich lustvoll und in mediterraner Leichtigkeit aus. Bürgerhäuser und zwei Klöster, aber auch 35 Trinkbrunnen prägen das Bild von Imst. Kultur ist fest im Alltag verankert: Die Unesco hat gar die Fasnacht, das Schemenlaufen, ausgezeichnet.
Niederlanden: Grenzgänger zwischen Gezeiten
Über den Köpfen ziehen Wolken, unter den Füssen schmatzt der Schlick. In den Prielen krabbeln Krabben und in der Ferne heult ein Kind. Gummistiefel, Windjacke und ein guter Feldstecher sind des Wattwanderers wichtigste Utensilien, der ortskundige Wattführer ist seine Lebensversicherung: Er weiss, wann, wo und wie schnell die Nordsee zwischen den Eilanden zurückströmt. In sanftem Bogen umrahmen die westfriesischen Inseln die niederländische Nordseeküste. Alle fünf sind über Fährverbindungen erschlossen, zwei jedoch nur für Fussgänger und Velofahrer erreichbar: Vlieland, die vom Festland am weitesten entfernte, und Schiermonnikoog, die kleinste und östlichste der bewohnten Inseln, sind, weil autofrei, besonders erholsam. Wattwanderer sind Grenzgänger zwischen den Gezeiten: Vor ihnen war und nach ihnen kommt das Meer, auf dessen Grund sie sich bewegen. Das wird deutlich, als der Stein dort vorn den Kopf hebt. Das Kind, das eben noch so herzergreifend schrie, hat grosse, dunkle Augen. «Ein Robbenbaby, wir nennen sie Heuler», sagt der Wattführer. «Bloss nicht anfassen; mit der Flut kommt auch die Mutter zurück.»
Burgund: Genuss in der alten Poststation
Zwischen Tournus und Cluny mit seiner Abtei aus dem 9. Jahrhundert, mitten in Hügeln voller Wälder, Wiesen und Weinbergen liegt das Dorf Saint-Gengoux-de-Scissé. In der alten, verwunschenen Poststation haben sich Philippe Mazille und Thierry Rousset einen Lebenstraum erfüllt und einen Gasthof eröffnet – das Relais de Scissé: «Fünf Zimmer, jedes individuell eingerichtet, ein wilder Garten mit Swimmingpool.» Die Gegend ist reich an Ausflugszielen, ideal zum Wandern und Spazieren, für den Besuch bei einem Weinbauern, einem Wochenmarkt. Abends treffen sich die Gäste im Wohnzimmer, lassen sich ein Glas Weisswein servieren, plaudern und lachen, setzen sich gemeinsam an den Holztisch im Esszimmer, bereit, Thierrys Kochkünste zu geniessen. Perfekte Entschleunigung mitten im Mâconnais.
Tessin: Geheimnisvolle Ruinen
Die Burgruinen von Tegna? Viele Tessin-Kenner dürften damit wenig anzufangen wissen. Dabei ist die fünf Kilometer von Locarno entfernt auf einem Felsplateau liegende Anlage eine der interessantesten archäologischen Stätten des Kantons. Dass der Ort, der von der Bronzezeit bis ins Mittelalter 3000 Jahre lang besiedelt war, heute kaum bekannt ist, hat zwei Gründe. Zum einen wurden die Anfang des 20. Jahrhunderts wiederentdeckten Gemäuer erst 2016 bis 2018 umfassend restauriert, zum andern sind sie nur zu Fuss erreichbar. Wer sich aber nicht scheut, von Tegna oder Ponte Brolla aus knapp 300 Höhenmeter über einen steilen Waldpfad hinaufzukraxeln, den erwarten nicht nur alte Mauerreste samt Infotafeln und Picknicktisch, sondern auch sagenhafte Aussichten. Und beim Blick zum Lago Maggiore, ins Maggiatal oder Richtung Centovalli lässt sich wunderbar darüber sinnieren, wozu die Bauten einst gedient haben mochten. Als Gutshof? Als militärische Anlage zur Überwachung der Handelsrouten im Tal, wie heute die meisten Archäologen denken? Oder wars doch eher eine Kultstätte, ein Kraftort, wie manche meinen?